Tageslosung vom 01. Juni 2015: „Der Übeltäter lasse von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, denn bei ihm ist viel Vergebung.“ (Jesaja 55,7)
Gibt es einen besseren Kommentar zu dem, was am Sonntagabend den Fernsehzuschauern zugemutet wurde? Da saß bei Günther Jauch eine erlauchte Runde zusammen, um über den „FIFA-Sumpf“ zu diskutieren – und heraus kam, dass FIFA-Chef Sepp Blatter eigentlich ein rechtschaffener Mann ist, der leider umgeben ist von 209 in ihrer Mehrheit korrupt bis kriminell handelnden Fußballverbandsdelegierten, für deren Machenschaften dieser so drahtig-agile Endsiebziger nicht verantwortlich gemacht werden kann. Er steht als Präsident der FIFA schließlich einer Geschäftsstelle vor, deren 470 Mitarbeiter/innen sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Dass diese Beschlüsse durchführen, die aufgrund von Schmiergeldern und Erpressung zustande gekommen sind, kann man ja nicht den fleißigen, hochkompetenten Angestellten der FIFA anlasten. Also: Worüber regen sich die Leute eigentlich auf? So fragte der FIFA-Sprecher Alexander Koch mit frecher Unschuldsmine und ließ alle Angriffe an sich abperlen. Die Schuldigen sitzen für ihn ganz woanders: zum Beispiel bei UEFA. Da hat der Herr Koch noch nicht einmal Unrecht. Denn mafiose Institutionen können sich nur solange halten, solange es nicht nur Täter, sondern auch Dulder gibt – Menschen, die mitmachen. Und in der FIFA sitzen nur Dulder – einschließlich der Vertreter der UEFA und des DFB, deren Widerstandsgebaren im Luxusambiente Zürichs geradezu lächerlich wirkte. Sie alle wissen um die Machenschaften der FIFA genau Bescheid – und machen mit. Sie alle hätten die Gelegenheit gehabt, ans Mikrofon zu treten und Forderungen zu stellen – stattdessen aber wird lieber geschwiegen und schließlich gebarmt angesichts der sog. Sachzwänge, denen man sich leider beugen müsse. Genauso beugen wie ARD und ZDF, die über die Übertragungsrechte die FIFA mit Millionen Dollar füttern und so das korrupte System am Leben erhalten. Da hat der alerte FIFA-Sprecher Koch leichtes Spiel, den Saubermann abzugeben – zumal Günther Jauch nicht mit einer Frage auf die Rolle von ARD und ZDF zu sprechen kam.
Muss man da noch viel erklären, wie es zur Vergabe der Fußball-WM an den Wüstenstaat Katar kommen konnte? Das ist eine so absurde Entscheidung, dass man sich auch fragen muss: Wie war es möglich, dass ein Austragungsland wie Katar überhaupt ins Abstimmungsverfahren gelangen konnte? Auch da wieder die schöne Aufgabenverteilung: Sepp Blatter und diejenigen aus der FIFA-Geschäftsstelle, die die Bewerbung geprüft haben, waren dagegen. Da schimmert sie wieder durch, die weiße Weste der Täter. Dennoch wurde auf wundersame Weise für Katar votiert. Und alle haben sie dann abgenickt, die Entscheidung, die ganz offensichtlich das Ergebnis von korrupt-kriminellen Machenschaften ist. Da machen wir uns Gedanken über Klimaschutz und Menschenrechte, über arabischen Frühling und eine Friedensordnung im Nahen Osten – und ein mächtiger Weltverband lässt zu, dass Milliarden an Geldern und Energie sinnlos verpulvert werden, damit für einige Tage in einer brutal agierenden Diktatur ein Sportereignis in Sportstätten inszeniert wird, die schon vor Ingebrauchnahme Tausenden Menschen das Leben gekostet haben. Und das Ganze auch noch zur Weihnachtszeit 2022.
Aber wie gesagt – das ist nicht nur das Werk eines Sepp Blatter, der solchen himmelschreienden Unsinn zelebriert. Da gehören alle dazu, die mitmachen und zulassen. Und derzeit machen (fast) alle mit. Weder gibt es nennenswerten Druck aus der Politik, die Weltmeisterschaft in Katar 2022 abzublasen, noch denkt im DFB ernsthaft jemand über den Boykott der Weltmeisterschaft nach, noch stoppen ARD und ZDF die Finanzierung der Übertragungsrechte aus Gebührengeldern. Dafür wird wahrscheinlich jetzt schon überlegt, wie die Weihnachtsmärkte auf die WM ausgerichtet werden können und wie viele Heizpilze in Europa produziert werden müssen, um aus den Public-Viewing-Plätzen Wärmestuben zu machen. Warum das? Weil alle denken, man müsse mitmachen. Mitmachen muss aber niemand – jedenfalls nicht bei uns. Niemand im DFB, niemand in der ARD und im ZDF, niemand in der Bundesregierung, niemand unter den Sponsoren, niemand in den Unternehmen, die in Katar engagiert sind. Wer es tut, trifft eine freie Entscheidung, für die er allein verantwortlich ist. Wer die Fußball-WM in Katar zulässt, wer die Machenschaften der FIFA weiter duldet, der ist im Sinne der Tageslosung ein „Übeltäter“. Ihm, uns bleibt nur die Möglichkeit umzukehren, uns abzukehren – nicht vom Fußball, auch nicht vom bezahlten Fußball, aber von den korrupten Strukturen, die diesen wunderbaren Sport ad absurdum und viele Menschen ins Unglück führen. Wenn es bei Katar bleibt, dann kann es 2022 nur eines geben: einen fußballlosen Advent! Wir sollten endlich anfangen, dieses mafiose Theater nicht mehr mitzumachen, nicht mehr zu dulden, was die Übeltäter anrichten. Zeit genug haben wir und Alternativen auch.
4 Antworten
Herr Krause – Sie haben das IOC noch vergessen!
Andreas Schwerdtfeger
Blatter hat beim Fußball-Groß-Mafiosi Joao Havelange aus Brasilien (von 1974 bis 1998 FIFA-Präsident) sehr gut aufgepaßt – er war jahrelang dessen Generalsekretär (von 1981 bis 1998)! Nach 1998 hat er ihn dann – empfohlen vom Fußballpaten Havelange – einfach beerbt. Wo ständig auf der Welt durch die Wettmafia Spiele verschoben werden, da kann man auch als schlecht bezahlter Fußball-Funktionär aus einem Dritte-Welt-Land doch mal bei Turniervergaben ordentlich die Hand aufhalten oder? Herr Putin (gekaufte Fußball-WM 2018) und die Scheichs aus Quatar (gekaufte WM 2022) werden schon anständige Bestechungsgelder gezahlt haben! Da interessiert es dann auch nicht, dass die Spiele im Sommer in Quatar bei 40° im Schatten stattfinden müßten (wobei die Spieler hier wohl nach 30 Minuten einen Kreislaufkollaps bekommen hätten). – Blatter ist genauso korrupt wie der 84-jährige(!) Formel-I-Chef Bernie Ecclestone, der das Rennen wie seine Privatfirma führt (und sich aus seinem Prozeß wegen Bestechung in München anstandslos mit 100 Mio.(!) Euro freigekauft hat). Zahlen die Scheichs mehr Geld, werden eben zwei Rennen pro Jahr in die Wüste verschoben! Dann hat eben auch die Auto-Nation Deutschland das Nachsehen. 2015 findet deshalb in Deutschland kein Formel-I-Rennen statt! – Der korrupte Sport ist aber nur ein Zeichen für den zunehmenden ethischen Verfall in der Gesellschaft überhaupt, wobei diesmal aber die Amerikaner der Welt gezeigt haben, dass sie sich als demokratischer Rechtsstaat doch noch ein bisschen von Rußland und anderen ähnlichen Kleptokratien unterscheiden. Danke, Loretta Lynch, für Deinen Mut vorige Woche!
Sehr geeehrter Herr Wolf,
es ist wie Sie sagen. Petra Roth hat glar gemacht und gesagt: „Ich gehe auf den Weihnachtsmarkt.“
Es liegt an uns. ob wir dieses Schmierentheater mitmachen oder nicht. Die Schuldigen immer in den ersten Reihen zu suchen, hat Tradition. Ich nenne es Obrigkeitsgehorsam. Siehe Politik, Wirtschaft. In den Kirchen erkenne ich ein Umdenken.
Daniella Sagnelli-Reeh
Alles richtig und gut! Nur eines vergessen: Immer dann, wenn die heutige Menschheit ihre Privatinteressen gefährdet sieht, dann schreit sie, Sport und Politik müssten getrennt werden und hätten nichts miteinander zu tun. Und immer dann, wenn die Menschheit plötzlich ihre Moral entdeckt, dann mischt sie Sport und Politik zusammen. Und den Widerspruch zwischen gleichzeitigem Reden (und Handeln) nach beiden Motti merkt sie nicht. „Gewiß sollten wir jeder Leistung (hier: Meinung) gerecht werden, aber dies gelingt nicht, wenn wir Justitia statt der Waage ein Bügeleisen in die Hand drücken“ schreibt A. Demandt in seinem sehr guten Buch über die Auflösung des römischen Reiches – aber genauso wird es heute gemacht: Alles wird nach Beliebigkeit platt (und passend) gebügelt!
In diesem Sinne: Es lebe der Fußball (der sich – leider – auch über die Adventszeit erheben wird, denn da gilt das Privatinteresse mehr als die Moral).
Andreas Schwerdtfeger