Einen „besseren“ Aufruf zur sog. PEGIDA-Demonstration am gestrigen Montag in Dresden kann man sich nicht vorstellen. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig will Sondereinheiten der Polizei bilden, um Mehrfachstraftätern unter Asylbewerbern besser begegnen zu können. Doch was soll diese medial gezielt gesetzte Ankündigung? Das Strafrecht gilt für jedermann. Begeht jemand eine Straftat, muss sie verfolgt und geahndet werden – völlig unabhängig von der Nationalität des Täters. Das ist unstrittig. Was also bezweckt der Innenminister mit einer Ankündigung, die Selbstverständlichkeiten enthält? Kommen vermehrt Straftaten vor, muss die Polizei reagieren. Bedarf es da einer besonderen Pressemitteilung? Sicher nicht. Aber Auslöser für Ulbigs Äußerung sind nicht Straftaten von Asylbewerbern. Ulbig tritt gezielt wenige Stunden vor einer erneuten Demonstration der sog. PEGIDA – „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“ – vor die Presse, um gleich noch Verständnis für die Demonstranten zu äußern. Ein gefährliches Spiel mit Feuer: Mehrfachstraftäter bei Asylbewerbern – damit wird genau das Vorurteil bedient, das PEDIDA schamlos ausnutzt: Haben wir doch immer schon gesagt, es kommen hauptsächlich Straftäter zu uns. Am Martinstag hatten die Kirchen in Dresden schon vor dem unseligen Treiben der PEGIDA gewarnt. Es sei „erschreckend, dass in Dresden eine Demonstrationsbewegung namens PEGIDA Zulauf hat, die die Angst vor islamistischem Terror benutzt, um Stimmung gegen Flüchtlinge und überhaupt gegen Ausländer zu machen. Der angebliche Aufruf zur Verteidigung des Abendlandes entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als religiös verbrämter Rassismus. Der Hass gegen den Islam und die Ablehnung der Aufnahme Asylsuchender bestimmen die Positionen der PEGIDA.“
Solche Worte hätten auch dem Innenminister gut angestanden. Stattdessen aber hat er den PEGIDA-Akteuren eine Steilvorlage gegeben. Deren Sprecher konnten den Innenminister am vergangenen Montag in Dresden vor 5.000 (!) Menschen genüsslich zitieren. Und wer sich da montags in Dresden versammelt, ist relativ klar. Es ist die Saat, die durch den Sarrazin-Hype vor zwei Jahren gelegt wurde und nun aufgeht: Menschen, die meinen, alle Probleme seien zu lösen, wenn wir Deutschen unter uns bleiben; wenn (überhaupt) es möglichst nur eine Glaubensrichtung gibt, die uns eine heile, von allen, vor allem sexuellen Verzerrungen bereinigte Welt ersehnen lässt; wenn die Polizei uns vor allem Fremden schützt und unser Geld (möglichst „Deutsche Mark“) nur uns selbst, den Deutschen, zugutekommt. Wenn Innenminister Ulbig meint, er könne dieser rechten Bewegung das Wasser dadurch abgraben, indem er genau die Brühe dazu kippt, von der solche Bewegungen leben, dann sitzt er genau dem Trugschluss auf, der schon einmal Deutschland ins Verderben geführt hat: rechtsradikalem Treiben und neonazistischer Gesinnung kann man nicht durch eine geläuterte Fassung derselben begegnen. Das einzige was hier hilft, ist die ganz klare, unmissverständliche Haltung aller politischen und gesellschaftlichen Repräsentanten des freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates, dass Asyl ein Grundrecht ist, auf das wir stolz sein können; dass es eine Auszeichnung unserer Gesellschaft ist, Menschen, die verfolgt werden, Zuflucht zu gewähren; dass religiöse und kulturelle Vielfalt ein Muss einer offenen Gesellschaft ist und dass, jeder, der straffällig wird, verfolgt und dingfest gemacht werden muss, aber auch Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren hat. Es wird höchste Zeit, dass die demokratischen Parteien jede Art von Anbiederung an rechte Gesinnung unterlassen und stattdessen für die Möglichkeiten einer offenen Gesellschaft werben und eintreten – auch wenn dies mühevoll und schwierig ist. Leipzig jedenfalls zeigt, dass dies auch Erfolg hat.
4 Antworten
Danke, Herr Wolff, für die klaren Worte.
Lieber Herr Schwerdtfeger, es geht nicht um Hass, sondern um nüchterne Analyse unter Berücksichtigung unserer Geschichte – und daraus folgende Kritik an konkreter Politik. Unser Problem in Deutschland ist nicht der sog. „Asylmissbrauch“, sondern die völlig unzureichende Anwendung des Asylrechts. Der Gebrauch eines Grundrechtes ist unsere Aufgabe und muss darum im Vordergrund stehen – und nicht ein möglicher Missbrauch. Der Gebrauch muss unser Handeln bestimmen und nicht der Missbrauch. Und was die sog. Wirtschaftsflüchtlinge angeht – das sollten Sie eigentlich wissen: dass neben Verfolgung auch Armut, mangelnde Bildungschancen ein Flüchtlingsgrund sind und dass dies kaum voneinander zu trennen ist. Was das angeht, so nehme ich für mich in Anspruch zu wissen, wovon ich rede, weil ich seit über 30 Jahren im Gegensatz zu vielen Menschen, die voller irrationaler Ängste sind oder diese schüren, mit vielen Asylbewerbern Kontakt habe und bei etlichen um ihr Bleiberecht gekämpft habe. Darum ist es so schändlich, dass von den Scharfmachern auch im politischen Bereich mit einer Scheinheiligkeit und Unschuldsmiene auf dem Rücken der nackten Not dieser Menschen ein rechtes Süppchen gekocht wird mit den bekannten Vorurteilen „Ich habe ja nichts gegen …, aber …“ Was wir brauchen: eine Willkommenskultur – und dann kann ich alles behutsam einfordern, was für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft wichtig ist. Aber wer erst einmal die Parole ausgibt „Sondereinheiten der Polizei für Asylstraftäter“, der stellt erst einmal alle Asylbewerber unter Generalverdacht und erzeugt eine Stimmung, die mit Empathie nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Es kommt eben auf die Prioritäten an, Lieber Herr Schwerdtfeger. Und die setze ich anders als Sie und viele andere.
Ihr Christian Wolff
… Und es ist Ihr gutes Recht, Ihre Prioritäten anders zu setzen. Dass Sie dabei aber immer, wenn es um „Rechts“ geht, beleidigend werden, ist überflüssig und auch für Ihre Ziele kontraproduktiv. Und unsere Geschichte hat nichts damit zu tun, sondern ist eben auch ein unnötiges Totschlag-Argument. Man kann sehr wohl eine positive Willkommenskultur Flüchtlingen und Asylbewerbern gegenüber haben und trotzdem den Mißbrauch anprangern und den Asylbewerbern auch Pflichten abverlangen, ohne eben gleich von einseitiger und fehlgeleiteter Toleranz-Ideologie verfolgt zu werden. Nichts anderes bezwecken Sie doch mit Ihrem Hinweis auf unsere Geschichte als denjenigen, der abweichende Meinungen vertritt, subtil in die Nazi-Ecke zu stellen.
Mit freundlichem Gruss,
Andreas Schwerdtfeger
Es ist so schade, dass Ihre Beiträge, Herr Wolff, immer dann das „Geschmäckle“ von Hetze bekommen, wenn Sie einen Anlass sehen, gegen „Rechts“ zu wettern. Wie sachlich waren Sie in den Beiträgen zur Politik Ihrer eigenen Partei, wie bewegend in der ethischen Frage der Selbstbestimmung über das eigene Leben! Jetzt aber rennen Sie wieder polemisch und voller Hass gegen politisch Andersdenkende an, anstatt auch nur den Versuch zum Verständnis und zur sachlichen Auseinandersetzung zu machen. Es ist eben nicht rechtsradikal, wenn man – bei aller Anerkennung des Asylrechtes und der einheitlichen Gültigkeit des Strafrechts – darauf hinweist, dass viele Asylanträge natürlich wirtschaftliche Hintergründe haben, dass viele Asylsuchende bewusst die Aufklärung ihres Hintergrundes verschleiern und behindern (ich habe an deutschen Botschaften gearbeitet und kenne die Methoden), dass also viele Asylsuchende dieses Recht gezielt zu mißbrauchen versuchen. Es ist auch nicht rechtsradikal, wenn man von Ausländern und Asylsuchenden in unserem Lande fordert (was im lange gelobten Einwanderungsland USA selbstverständlich ist und zwar auf beiden Seiten, dem Land und den Einwanderern), dass sie durch Erlernen der Sprache (aller Familienmitglieder), durch ein Bekenntnis zu unserem Grundgesetz und seinen Idealen (das schliesst auch die Übernahme der Staatsangehörigkeit ein), durch Akzeptanz der Spielregeln ihres Gastlandes sich in dieses ebenso integrieren, wie sie umgekehrt zu Recht Verständnis und Toleranz bezüglich ihrer nationalen und religiösen Gewohnheiten erwarten – und wo diese im Konflikt stehen (zB Burka-tragen und komplette Vermummung oder auch sogenannte „Ehren-Händel“) zum Zurückstecken bereit sind. Das Asylrecht ist ein hohes Gut und muß gerade deshalb gegen Mißbrauch geschützt werden.
Eine latente Ausländerfeindlichkeit in unserem Lande – so sie denn überhaupt als eine wirklich breite „Bewegung“ existiert – muss natürlich korrigiert werden. Aber das wird wohl kaum dadurch geschehen, dass man bei jeder ausländer-kritischen Begebenheit sofort Neonazismus vermutet und anprangert und den vollständigen Kotau vor dem Ausländischen unter der mißbräuchlichen Nutzung des Toleranzbegriffes einfordert. Ich jedenfalls bin für eine großzügige Aufnahme der vielen unsere Gesellschaft in allen ihren Aspekten bereichernden Ausländern – aber ich erwarte auch, dass diese sich mit unserem Wertesystem, unseren Rechtsvorstellungen, unserer Sprache, usw zu identifizieren bereit sind. Jedes Recht begründet eine Pflicht und umgekehrt – dies zu sagen, ist eben nicht rechtsradikal.