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Demonstration und Kundgebung am 07.11.2016: Wider das Vergessen – erinnern, gedenken, kämpfen

Aufruf von „Leipzig nimmt Platz“ zur Demonstration am 7.11.2016 um 18.00 Uhr ab Augustusplatz

Vor 78 Jahren begann am 7. November die Pogromwoche des NS-Regimes, welche am 9. November 1938 ihren Höhepunkt fand. In diesen sieben Tagen brannten mit staatspolizeilicher Absicherung Synagogen. Jüdische Wohnungen, Geschäfte und Betriebe wurden verwüstet und geplündert. Eine Welle von Verhaftungen und Einweisungen in Konzentrationslager folgte. Zeitgleich spitzte sich die Lage mit dem forcierten Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus allen gesellschaftlichen Bereichen immer weiter zu. Als perfide Krönung des konzertierten Terrors drückten die Nationalsozialisten den zu Feinden des deutschen Volkes Erklärten eine Kollektivstrafe auf. Die ihrer Würde und ihrer Rückzugsorte Beraubten sollten den angerichteten Schaden auch noch selbst bezahlen. Hilfe konnten sie nach über fünf Jahren des Niedergangs menschlicher Grundwerte kaum erwarten.

Die Wirkung von permanenter staatstragender Hetze ging einher mit der kontinuierlichen Beschneidung der Rechte jüdischen Menschen. Die 1935 verabschiedeten Nürnberger Gesetze stehen pars pro toto für die Rechtsgrundlage des sozialdarwinistisch begründeten Rassismus der Nazis, ihre verwaltungstechnische und propagandistische Wirkung kam voll zur Entfaltung. Die Pogrome vom November 1938 waren das Fanal zur Umsetzung der systematisch vorbereiteten Vernichtungspolitik, welche bis zum Ende des zweiten Weltkriegs sechs Millionen jüdische Menschen das Leben kostete.

Aktuell können wir die Auswüchse des deutschen Antisemitismus bei der *Gida-Bewegung deutlich beobachten. Besonders der *Gida-Schlachtruf „Lügenpresse“, führt uns in die Zeit des Nationalsozialismus zurück. Damals wurden liberale, linke und andersdenkende Presseerzeugnisse mit dem Begriff „Judenpresse“ belegt. Der Antisemitismus gestern wie heute unterstellt der Presse, gelenkt und vereinnahmt zu sein. Sie verschweige angeblich die Wahrheit und sei dafür da, „das deutsche Volk“ zu beeinflussen. Deswegen müsse sich „das Volk“ wehren. Dies ist nur ein Beispiel für Parallelen des nationalsozialistischen Antisemitismus und dessen der heutigen Neuen Rechten.

Diese *Gidas um das sächsische Original Pegida als Sammelbecken der Rassist_innen aller Couleur bereiten der AfD den Weg, die sich als parlamentarische Vertretung der so genannten „besorgten Bürger“ versteht. Die anfänglichen Reaktionen auf Pegida und Co. – vor allem aus den Unionsparteien – halfen dieser Wegbereitung massiv.

Die AfD versucht indes, rechte Ideologie als berechtigten Widerstand umzudeuten und bedient sich unverhohlen der Nazi-Rhetorik. So orientiert sich Björn Höcke an Goebbels-Reden, wie MONITOR vergleichend dargestellt hat. Zitate wie „1000 Jahre Deutschland. Ich gebe euch nicht her!“ oder „Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert.“ erinnern an düsterste Zeiten der deutschen Geschichte. Auch die AfD-Vorsitzende Frauke Petry befeuert den rechten Sound mit der Forderung, den Begriff „völkisch“ wieder positiv zu besetzen. Genau die Betonung des Völkischen benutzte der Nationalsozialismus zur Abgrenzung und begründete mit einer Blut-und-Boden-Ideologie die millionenfache Vernichtung von Menschenleben.

Die *Gidas und andere rechte Gruppierungen werden durch die AfD darin bestätigt, dass Rassismus und Hetze zum öffentlichen Diskurs gehören würden. So begreifen sich die Täter_innen von Meißen, Heidenau, Clausnitz, Bautzen usw. als Widerständige, die ein „deutsches Volk“ verteidigen müssten.

Das kategorische Ablehnen der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands ist eine weitere Voraussetzung für all diese Umtriebe und der Ruf nach einem Schlussstrich unter die Vergangenheit der deutschen Täter und Täterinnen deren folgerichtiger Bestandteil. So, wie in den 1930-er Jahren die unmenschlichen Ideen und Wertekanons des Nationalsozialismus salonfähig gemacht wurden, sollen menschenfeindliche Ansichten und ihr ideologischer Überbau der heute auftrumpfenden Rechten zur gesellschaftlichen Normalität werden. Der mahnende Ruf der Geschichte ›Nie wieder!‹ soll verstummen.

Dass sich die Protagonist_innen dieser Strategie immer provokantere Ausfälle erlauben und sich eines zustimmenden Publikums sicher sein können, ist hinreichender Beleg für das erneute Abdriften der Grundwerte. Dies erzeugt ein gesellschaftliches Klima, in dem Migrant_innen und Andersdenkende Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sind. Deswegen ist es wichtig, dass sich alle Demokrat_innen, Antirassist_innen und Antifaschist_innen im Kampf gegen diese erschreckenden Entwicklungen verbünden.

Legida will am 7. November erneut ausgrenzenden Hass auf die Straße tragen. Dies darf nicht unwidersprochen bleiben. Wir rufen alle Leipzigerinnen und Leipziger auf, besonders in dieser Woche des Gedenkens an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors, nicht zuzulassen, dass rechte Parolen durch die Stadt getragen werden.

„Es ist Zeit für einen Aufschrei von uns allen, einen unüberhörbaren, lauten Aufschrei, der bis in den letzten Winkel unseres Landes und der ganzen Welt widerhallt. Der Satz ›Wehret den Anfängen!‹ ist längst überholt! Wir sind mittendrin!“ (Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende, über das Aufkommen der Neuen Rechten Anfang 2016 in Berlin)


Demonstration am 07.11.2016
Start: 18.00 Uhr
Ort: Augustusplatz, Leipzig

19.00 Uhr Kundgebung auf dem Richard-Wagner-Platz

ab 19.00 Uhr: Kundgebung und Friedensandacht vor der Michaeliskirche/Nordplatz von „Weltoffenes Gohlis“ und der Kirchgemeinde St. Michaelis

4 Antworten

  1. Ja, ich kann nur wiederholen: Hören Sie sich Lammert an in „Unter den Linden spezial“ von gestern. Da erkennen Sie dann, wenn Sie nur einigermaßen objektiv sind, welchen Unsinn Sie verbreiten. Es ist eben kein politisches Argument, wenn man dem Andersdenkenden den Status „hinter den Gardinen“ zuweist und glaubt, damit der intellektuellen Auseinandersetzung ausweichen zu können. Zur intelligenten Auseinandersetzung gehören Argumente – nicht dümmliche Schubladeneinordnungen (entschuldigen Sie, aber Sie selbst ziehen diesen Vorwurf auf sich!).
    Es ist schön, wie Sie plötzlich von Ihrer sächsischen Maulwurfsperspektive dann „global“ werden, wenn’s paßt, und sogar Trump ins Gespräch bringen. Reden Sie erstmal über Deutschland als Ganzes, wie ich es tue – eine großartige liberale Demokratie, ein funktionierender Rechtsstaat, eine plurale Gesellschaft, eine Freiheit, die schon so selbstverständlich ist, daß sie gar nicht mehr als Privileg wahrgenommen wird, etc – bevor Sie sich in die große weite Welt hinauswagen.
    Mit herzlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Frau Bejarano hat jedes Recht, vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und ihres Leides so zu formulieren, wie sie es tut. Sie allerdings, lieber Herr Wolff, und wir Jüngeren alle haben das Glück, unsere Welt so sehen zu können, wie sie ist, und damit auch zu erkennen, daß sie in realiter weit entfernt ist von den Ängsten der Frau Bejarano. Gestern war unser hervorragender Bundestagspräsident Norbert Lammert bei Phoenix (Unter den Linden) zum Gespräch eingeladen und man kann nur hoffen, daß Sie und viele andere da gut zugehört haben.
    Sie beschreiben ja in fast jedem Ihrer Beiträge – und so auch hier – eine deutsche Gegenwart, die gar nicht existiert. In Wirklichkeit leben wir heute eben nicht mehr – zum Glück – in einer den 1930er Jahren vergleichbaren Zeit, sondern in einem stabilen Rechtsstaat, in einer lebendigen Demokratie, in einer gewollten und gelebten Pluralität (die allerdings, um überlebensfähig zu bleiben, einen konsensualen „Grund-Sockel“ voraussetzt), in großer Weltoffenheit und vielseitigem Binnen- und globalen Außen-Engagement, das alles seinesgleichen sucht. Die großen Errungenschaften unseres Staatswesens in Deutschland seit den 1950er Jahren haben nur einen wirklichen Nachteil (wenn man es so nennen darf): Daß sie nämlich als solche kaum noch erkannt sondern als selbstverständlich vorausgesetzt werden – und aufbauend auf dem Selbstverständlichen, das uns allen dient und nützt, wird dann das Eigeninteresse und die eigene Ansicht der Dinge zum vordergründigen Aktionsziel, mit dem wir alle anderen zu Randfiguren zu machen uns bemühen. Lammert hat es gestern richtig formuliert: Die Demokratie fordert von uns, daß wir anderen Standpunkten erst mal zuhören, sie nicht à priori ausschliessen, sie als möglich akzeptieren, auch wenn, ja gerade wenn wir sie nicht akzeptieren. Sie aber, lieber Herr Wolff, ziehen den Krawall auf der Strasse vor – deswegen Ihr unseliger Hang zum ewigen Demonstrieren, der Sie von der geistigen Auseinandersetzung mit anderen Standpunkten befreit (die Sie ja auch in Ihrem blog nicht betreiben). Die Demonstration ist einseitige Meinungsäußerung, ist Ausweichen vor der Diskussion, ist rigide Prinzipienreiterei, sie ist vor allem sehr motivierend für die Gegenseite und damit kontraproduktiv – sie ist nicht der intelligente und intellektuelle Wettstreit um die beste Lösung bei Anerkennung von anderen Lösungsansätzen. Sie ist unbestreitbar ein Recht, aber eben keines, das einem vernünftigen Ziel wirklich dienlich ist. Sie ist Straßengeschrei – nicht Aufschrei!
    Ich hoffe – falls Sie es nicht gesehen haben sollten –, daß Phoenix das Gespräch mit Lammert wiederholt oder daß Sie es im Netz nachhören können. Sie könnten da was lernen – und zwar über das Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung, das ja im Lutherjahr – Sie schrieben es – für uns alle Thema sein sollte.
    Ich grüße Sie herzlich,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. So kann nur jemand schreiben, der noch nie an einer Demonstration teilgenommen hat und stattdessen hinter den Gardinen sitzt und natürlich die Welt erklären kann. Der bekommt dann auch nicht mit, dass ein Frau Bejarano sehr wohl allen Grund hat, den Aufschrei einzuklagen. Das, was – Gott sei Dank – bis jetzt nur partiell an alltäglichem Faschismus sichtbar wird, macht nachvollziehbar, was in den 20er und 30er Jahren in Deutschland geschehen ist. Und wenn wir in die USA blicken: da kann man nur erschaudern angesichts dieses hasserfüllten, gewalttätigen und gezielt Werte zerstörenden Auftreten von Donald Trump. Das ist eine Katastrophe für die demokratische Entwicklung. Dieser tatenlos zuzusehen, das allerdings ist gefährlich und fahrlässig. Christian Wolff

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