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„Verfassungsschutz“ – oder die Verfassung schützen

Drei Filme über den NSU-Komplex in der ARD in den vergangenen Tagen: „NSU: Mitten in Deutschland – die Täter, die Opfer, die Ermittler“. Drei Filme, die vor allem zeigen: die ungeheure kriminell-terroristische Energie rechtsradikaler Zellen wie der NSU, die seit 1990 „mitten in Deutschland“ wüten und eine blutige Spur durch Deutschland ziehen konnten. Gestern jährte sich der letzte Mord der NSU zum zehnten Mal: Am 06. April 2006 wurde Halit Yozgat, Betreiber eines Internetcafés in Kassel, erschossen – und „rein zufällig“ hielt sich zu diesem Zeitpunkt auch der Verfassungsschützer Andreas Temme im Kasseler Internetcafé auf. Darum ist es eine gefährliche Verharmlosung der Mordserie, würde man diese auf drei Namen reduzieren: Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Tschäpe. Nein: Hinter dem NSU verbirgt sich ein weit verzweigtes, rechtsradikales Netzwerk in Deutschland, das bis in den sog. Verfassungsschutz hineinreicht. Wie ein roter Faden zieht sich durch die drei Filme die skandalöse, Täter affine Rolle des sog. Verfassungsschutzes. Ohne die aktive Verstrickung dieser staatlichen Organisation in den NSU, ohne seine Kumpanei über die sog. V-Männer mit den Tätern, ohne die langjährige Finanzierung der rechten Szene über die Bezahlung von Informanten durch den Verfassungsschutz ist die NSU-Mordserie weder zu erklären noch zu verstehen – vor allem ist nicht zu erklären, warum es über 10 Jahre dauerte, bis die Mordserie als solche erkannt und – bis auf die Rolle des Verfassungsschutzes – weitgehend aufgeklärt wurde.

Man muss es offen aussprechen: Der Verfassungsschutz ist Beteiligter an den von ihm „betreuten“ Morden der NSU, ohne dass er dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Obwohl die Belege – trotz mancher Schredder-Aktion im Verfassungsschutz – für diese Aussage erdrückend sind, wird auf der politischen Ebene weiter versucht, die Rolle des Verfassungsschutzes zu verschleiern und seine Existenz als für den Schutz der Verfassung unentbehrlich zu reklamieren. Dabei ist aller Anlass gegeben, den Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form eher heute als morgen aufzulösen. Denn er ist –von Anfang an mit Alt-Nazis durchsetzt – eine rechtslastige Institution, die in den vergangenen 65 Jahren nichts, aber gar nichts beigetragen hat zur Stärkung der Demokratie, wohl aber an vielen Stellen diese unterhöhlt hat. Anfang 2012 kam es in Berlin zu einem Staatsakt für die Opfer der Terroranschläge der NSU. Dort wurde den Angehörigen der Opfer von Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen, alles zu tun, um die Täter einer gerechten Strafe zuzuführen. Wir schreiben inzwischen das Jahr 2016. Der Prozess gegen Beate Tschäpe in München läuft weiter. Der Verfassungsschutz wird in allen Bundesländern und auf Bundesebene personell und finanziell ausgebaut. Wie soll aber eine Institution, die die die Aushöhlung des Rechtes, die Außerkraftsetzung von Grundrechten und die bewusste Missachtung demokratischer Prinzipien als Teil ihrer Strategie ansieht und dies einsetzt, etwas Wesentliches zum Schutz des demokratischen Rechtsstaates beitragen? Eine Institution, die darf, was dem Recht widerspricht, die Vertrauen und Glaubwürdigkeit mit Füßen tritt, ist auch nicht zu kontrollieren. Sie kann man nur auflösen. Denn noch nie konnte der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden. Man kann ihn dadurch nur potenzieren. Genau das ist in Sachen NSU über 10 Jahre lang geschehen. Die Belege sind erdrückend. Der sog. Verfassungsschutz und die Verfassung schützen ist ein Widerspruch in sich. Wo bleibt die politische Initiative der demokratischen Parteien, endlich und entschlossen Konsequenzen zu ziehen – und das in den Mittelpunkt aller politischen Arbeit zu stellen, was tatsächlich unsere Verfassung schützt: die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Demokratie?

Bemerkung am Rande: Der sächsische Verfassungsschutz, der im NSU-Komplex eine besonders unrühmliche Rolle spielte, bietet mit seinen „Lageeinschätzungen“ (natürlich geheim, obwohl in ihnen sachlich nichts anderes aufgeführt wird als das, was jeder in der Zeitung lesen kann; aber die „Bewertung“ macht es!) die Grundlage für die Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden und für die Polizei bei der Einsatzplanung bei Demonstrationen und Kundgebungen. Kein Wunder, dass Pegida und Legida für den sächsischen Verfassungsschutz kein Thema ist. Kein Wunder also, dass es in Sachsen so ist, wie es ist.

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