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Realität – vom „Paulinum“ zur Universitätskirche

„Transformationen – Von der Universitätskirche zum Paulinum“ so titelt die Kustodie der Universität Leipzig unter ihrem Leiter Rudolf Hiller von Gaertringen eine Ausstellung, die die Geschichte der Universitätskirche St. Pauli schildern soll. Wer die Wirklichkeit eines Verbrechens, nämlich der Sprengung, ästhetisierend als „Transformation“ verleugnet, kann wohl eine Propagandaschau, aber keine Ausstellung konzipieren. Da wird die Geschichte auf den Kopf gestellt und die Wirklichkeit ideologisch verbogen. Daran arbeitet der Kustos dieser Universität seit Jahren. Auf ihn geht die sehr teure Schnapsidee zurück, das Langhaus der neuen Universitätskirche durch eine Plaste-Wand vom Chorraum zu trennen, um willkürlich und künstlich einen „Andachtsraum“ von einer „Aula“ zu trennen. Gegen jeden Sachverstand verbreitet er die Mär, das sei aus klimatischen Gründen notwendig – wohlwissend, dass die restaurierten Epitaphe im Chorraum der neuen Universitätskirche St. Pauli das gleiche Raumklima benötigen wie die Jehmlich-Orgel im Langhaus. Tatsächlich aber geht es darum, den Kirchencharakter des Gesamtraumes zu bestreiten. Dabei war von alters her die Universitätskirche immer beides: Gottesdienststätte und akademischer Festraum. Aber Hiller von Gaertringen gehört zu denen, die penetrant gegen die Geschichte anleben und so tun, als sei das, was jetzt am Augustusplatz erstanden ist, etwas anderes als die neue Universitätskirche St. Pauli. Darum die akademisch anmutende Attitüde „Transformation“. Darum aber auch die Entpolitisierung des Konfliktes und der neuen Universitätskirche, die nach Willen des Kustos eher die Funktion einer musealen Grabkammer denn als Raum des Lebens haben soll. Die neue Universitätskirche aber wird ihre Identität nur finden, wenn sie sich als geistliches und geistiges Zentrum etabliert, in dem sich das endlich entwickelt, woran es den Universitäten heute mangelt: der öffentliche, kritische Diskurs über die gesellschaftspolitische Verantwortung wissenschaftlicher Arbeit zur Stärkung der freiheitlichen Demokratie und des interkulturellen und interreligiösen Zusammenlebens.

Am Augustusplatz muss also nichts transformiert werden, hier muss man nur Geschichte und Wirklichkeit verstehen. Wer aber so agiert wie der Kustos, hat weder die Dimension der Geschichte dieses Raumes begriffen, noch hat er den himmelsschreienden Skandal der Sprengung der Universitätskirche im Mai 1968 erfasst, noch hat er eine Vorstellung von dem, was allen Widerständen zum Trotz am Augustusplatz gebaut wurde: ein geistliches und geistiges Zentrum. Jedes Kind wird es sofort begreifen: Dieser Raum ist ein besonderer, eben eine Kirche. Alle Versuche, den Charakter des Raumes zu verschleiern, sind bis jetzt Gott sei Dank gescheitert. Mehr noch: Der inhaltslose Widerstand gegen die neue Universitätskirche St. Pauli hat gerade ihr Profil befördert. So kann jeder getrost davon ausgehen: Die neue Universitätskirche St. Pauli wird auch in Zukunft so genutzt werden wie die gesprengte Kirche – als Gottesdienststätte, hoffentlich auch interreligiös; als akademischer Festraum, hoffentlich mit vielen Debatten auf höchstem Niveau gesellschaftspolitischer Streitkultur; als Ort der Universitätsmusik, hoffentlich mit vielen Uraufführungen und interkulturellen Impulsen. Und noch eines ist so gewiss wie das Amen in der Kirche: die schon jetzt milchig-wabernde Plaste-Wand wird früher oder später entsorgt werden – als Zeugnis einer horrenden Verblendung derer, die immer noch nicht begreifen wollen, dass die Universität einen zentralen Raum zurückerhalten hat: die Universitätskirche als Einheit … mit Kanzel.

Darum ist es nur noch Ausdruck letzter hilfloser Zuckungen des Kustos, wenn er jetzt so tut, als sei der Neubau ein Abschied von der Universitätskirche – euphemistisch umschrieben mit „Transformation“. Nein, wir feiern keinen Abschied, sondern ein doppeltes Heilungswunder: von der gesprengten Universitätskirche über den ideologischen Nonsens „Paulinum“ zur neuen Universitätskirche St. Pauli. Am 2. Dezember 2017 sollte man mit dieser Inschrift dem Kustos ein Epitaph überreichen, das er vor seinem Amtszimmer aufstellen kann: „Am 2. Dezember 2017 wurde die fatale Vorstellung, der Sprengung der Universitätskirche am 30. Mai 1968 ein ‚Paulinum‘ folgen zu lassen, zu Grabe getragen. Dafür erstand in vielen Jahren des Bauens und Streitens die neue Universitätskirche St. Pauli. Gott sei Dank!“

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