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Politik oder Randale

Da ziehen am Freitagabend der vergangenen Woche 100-150 Menschen randalierend durch Leipzig und hinterlassen Spuren wilder Gewaltexzesse – nicht zum ersten Mal in diesem Jahr. Die mitgeführten Parolen lassen den Schluss zu, dass es sich bei den Gewalttätern um linksradikal eingestellte Menschen handelt. Was allerdings an Überfällen auf Polizeistationen, an Steinwürfen auf Menschen, an brennenden Barrikaden „links“, geschweige denn politisch sein soll, bleibt einem verschlossen. Denn mit solchen Aktionen kann man soziale Gerechtigkeit, demokratisches Zusammenleben, eine Willkommenskultur für Asylbewerber, das Eintreten für friedliche Konfliktlösungen nur zerstören, aber nicht befördern. Darum in aller Klarheit: Bei den Gewaltexzessen handelt es sich nicht um politische Meinungsäußerungen, mit denen ich mich kritisch auseinandersetzen kann, sondern um kriminelle Akte, um Straftaten, die verfolgt und geahndet gehören, die aber auch präventiv verhindert werden müssen.

Doch seit einigen Tagen wird so getan, als seien die Gewalttaten die Spitze des Eisberges einer linken Szene, die sich seit 25 Jahren in Connewitz und Plagwitz ungehindert hat entwickeln können – so, als ob man nun endlich rechte Gewalt gegen linke aufwiegen könne. Von den Gewalttaten sollen sich jetzt alle mit einem möglichst starken Empörungstremolo in der Stimme distanzieren – als ob, außer den Gewalttätern selbst, jemand ernsthaft diese Gewaltexzesse befürworten oder rechtfertigen würde. Aber zumindest soll das suggeriert werden. „Grüne und Linke bagatellisieren die autonome Szene“ – mit diesen Worten wird der Politologe Eckhard Jesse in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) zitiert. In seinem Interview versucht Jesse die linksautonome Szene damit zu erklären, dass „Universitäten wie in Leipzig mit starker geisteswissenschaftlicher Ausrichtung … ein bestimmtes Milieu an(zieht)“ – wahrhaft eine Analyse von hohem wissenschaftlichen Gehalt: die Geisteswissenschaften als Keimzelle gewaltbereiter Linksautonomer. Ganz ähnlich auch der sächsische Innenminister Markus Ulbig. Er versucht das Problem auf die Stadt Leipzig zu schieben und fordert die „Zivilgesellschaft“ auf, sich stärker gegen die linksextremistische Gewalt abzugrenzen. Merkwürdig nur, dass er die Forderung nach mehr Polizeikräften als „populistisch“ zurückweist. Wie aber sonst will man denn Straftaten vereiteln, wenn nicht durch die Polizei? Und was ist das für ein Verfassungsschutz, der – wenn es darauf ankommt – wie gehabt den Ahnungslosen spielt? Da kann der Leiter der Stabsstelle in der LVZ mit statistischen Zahlen aufwarten – aber offensichtlich sitzen in dieser Behörde alle brav hinterm Schreibtisch und werten das aus, was sowieso jeder wissen kann. Da wäre also der Innenminister zu fragen: Wie kommt es eigentlich, dass offensichtlich die Straftäter seit Monaten die Polizei, aber auch die Bevölkerung, überraschen können, wo man doch angeblich genau weiß, wie viel Gewalttäter in Leipzig leben?

Doch nun zum Eigentlichen. Wie sieht es denn mit dieser sog. gewaltbereiten Szene und ihrer Vernetzung aus? Spätestens seit der Neonazi Christian Worch jährlich zwei Aufmärsche in Leipzig veranstaltete, rief das auch die sog. Linksautonomen auf den Plan. Aber Gott sei Dank nicht nur diese. Im Gegensatz zu Dresden haben sich in Leipzig von Anfang an wesentliche Teile der Stadtgesellschaft dem rechtsradikalen Treiben friedlich entgegengestellt und sind offensiv für die freiheitliche Demokratie eingetreten: der jeweilige Oberbürgermeister, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, viele Einzelpersonen. Meistens haben die Aktionen mit einem Friedensgebet in der Nikolaikirche begonnen – ein deutliches Signal. In den Vorbereitungstreffen wurde und wird unmissverständlich klargemacht: Keine Gewalt! Das führte dazu, dass der gewaltbereite, immer kleiner werdende Teil der sog. Autonomen sich isolierte – auch weil die Stadtgesellschaft sich nicht bequem zurückgelehnt und diesen Gruppen den Protest überlassen hat. Erfolg dieses Ansatzes war, dass Worch 2007 aufgab – und danach das Bündnis weiter funktionierte und Leipzig hellwach immer dann für die Grundrechte eingetreten ist, wenn diese politisch infrage gestellt wurden. Dies hat sich auch seit Mitte Dezember 2014 gezeigt. Da waren es Gruppen wie No-Legida, Willkommen in Leipzig, Leipzig.Courage.Zeigen, Bündnis 8. Mai, Universitäten, DGB und Kirchen, denen es schnell und überzeugend gelungen ist, viele Menschen dafür zu gewinnen, für Weltoffenheit, für ein multikulturelles und multireligiöses Zusammenleben, für Demokratie und Gewaltfreiheit einzutreten. Dass am 12. Januar 2015 mit fast 40.000 Menschen ein so deutliches Signal gegen den gefährlichen Unsinn Legida gesetzt werden konnte, haben wir dem klaren Auftreten vieler Leipziger Bürgerinnen und Bürger zu verdanken. Und auch hier zeigte sich: Weder haben sich die Leipzigerinnen und Leipziger von gewaltbereiten Autonomen provozieren noch vereinnahmen noch abhalten lassen, ein deutliches Zeichen zu setzen. Vielmehr gab es im Vorfeld einen klaren Schnitt, der auch dadurch sichtbar wurde, dass die ausgeübten Gewalttaten ohne jede Einschränkung auf den Kundgebungen verurteilt und als Straftaten gebrandmarkt wurden. Denn wenn Bahnlinien zerstört, Polizeistationen in Brand gesetzt werden, Menschen tätlich angegriffen und Gebäude beschädigt werden, dann sind das keine politischen Statements sondern Straftaten. Straftaten müssen verfolgt werden. Dafür gibt es die Polizei und die Justiz. Und für die sind Landesminister zuständig. Aber offensichtlich hat Innenminister Ulbig wenig Ahnung davon, wie sich der politische Diskurs in Leipzig gestaltet.

Politisch allerdings sollten wir keiner Fehleinschätzung unterliegen: So ärgerlich und empörend die Gewalttaten der sog. linksautonomen Szene sind – eine politische Gefahr geht davon nicht aus. Denn viel mehr als die 150 Gewaltbereiten werden das nicht gutheißen. Anders verhält es sich mit den politischen Strömungen, die die rechten Strickmuster bedienen: Demokratie einschränken, Pluralität bekämpfen, Sicherheitsapparat ausbauen, Menschenverfeindung betreiben, das multikulturelle Zusammenleben verhindern, Ausländer ausgrenzen. Das ist eine politische Gefahr, die weit in die Gesellschaft hineinreicht. Niemand sollte sie unterschätzen. Darum macht sie unser aller Wachsamkeit erforderlich. Und so ganz nebenbei: Das ist der beste Beitrag, den wir leisten können, um die sog. linksautonome Szene auszutrocknen.

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