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Notwendige Klärung … und eine Hoffnung

Es waren diese Sätze zu Beginn seiner Inaugurationsrede am 20. Januar 2017, die unmissverständlich klar machten, was der gerade vereidigte Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, vorhat:

… heute übergeben wir die Macht nicht nur von einer Regierung an die andere oder von einer Partei an die andere, sondern wir nehmen die Macht von Washington D.C. und geben sie an euch, das Volk, zurück. … Worauf es wirklich ankommt, ist nicht, welche Partei unsere Regierung führt, sondern ob unsere Regierung vom Volk geführt wird. Der 20. Januar 2017 wird als der Tag in der Erinnerung bleiben, an dem das Volk wieder zu den Herrschern dieser Nation wurde. Die vergessenen Männer und Frauen unseres Landes werden nicht mehr vergessen sein. Alle hören jetzt auf euch. Ihr seid zu Millionen gekommen, um Teil einer historischen Bewegung zu werden, wie sie die Welt noch nie zuvor gesehen hat.

Seit dem 20. Januar 2017 hat Donald Trump das praktiziert, was er hier angekündigt hat: Reklamation eines „Volkswillen“, der sich allein im Handeln des Präsidenten niederschlägt. Im Kern bedeutet dies: Entmachtung der parlamentarischen Institutionen, Missachtung der Justiz, Einschüchterung der Presse – immer mit dem Hinweis versehen: jetzt regiert das Volk, jetzt bestimmt die „Bewegung“ das Geschehen. Die Frage ist: Sind die Bürgerinnen und Bürger der USA, ist die Justiz, ist die Presse in den kommenden Monaten so stark und widerstandsfähig, dass sie diesen zerstörerischen Angriffen auf die Demokratie standhalten? Können diejenigen, die seit dem 21. Januar 2017 landesweit eine so eindrucksvolle, vielfältige Protestbewegung gegen die Trump-Diktatur initiiert haben, den Kampf so lange führen, bis es im November 2018 zur Neuwahl des Repräsentantenhauses kommt? Die entscheidende Frage wird aber sein: Ist es Trump bis dahin gelungen, den Kongress (Repräsentantenhaus und Senat) so zu entmachten, dass das Wahlergebnis überhaupt keine Rolle mehr spielt? Wird er die Justiz zermürben können, so dass diese in einem sich rasant beschleunigenden Anpassungsdruck die Rechtswidrigkeiten des Präsidenten zunehmend legitimiert? Vor einigen Wochen hätten viele Sachkenner solche Fragen als viel zu alarmistisch abgetan. Heute aber ist relativ klar: Diese Fragen müssen gestellt werden, um sich über die Dramatik keinerlei Illusionen hinzugeben. Denn im Weißen Haus sitzt ein Mann umgeben von Leuten, die zwei Dinge vorhaben: Zum einen wollen sie ihre Machtstellung nutzen für private Geschäfte, also für das, was sie bis zum 20. Januar 2017 rücksichtslos betrieben haben: Reichtumsvermehrung. Zum andern wollen sie die Grundlagen des demokratischen Zusammenlebens zerstören: Gewaltenteilung, Meinungs- und Religionsfreiheit, parlamentarische Demokratie, Pluralismus. Das halten Trump und die Seinen für Relikte eines verkommenen Systems. Diese Verkommenheit machen sie daran fest, dass in einer freien Gesellschaft grundsätzlich alle Menschen die gleichen Rechte haben und die Menschenwürde für jeden gilt – unabhängig von den äußeren Bedingungen. Das sehen sie als hinderlichen, zu korrigierenden Missstand an, kaschieren aber ihren antidemokratischen Impetus mit einer nationalistisch-sozialrevolutionären Rhetorik: das „Volk“, das unter einer selbstzufriedenen Elite darben musste, findet jetzt endlich Beachtung: „Alle hören jetzt auf euch.“ (Trump) Unter den Bürgerinnen und Bürgern der USA, die autoritär strukturiert sind und die Freiheitsrechte für sekundär halten, hat Trump damit punkten können und wird für die so plumpe, menschenrechtswidrige Strategie „Problemlösung durch Problemvernichtung“ Zustimmung erfahren, solange er wirtschaftliche Erfolge erzielen kann. Doch lehrt die Geschichte, dass dies nur kurzfristig möglich ist und fast zwangsläufig in kriegerische Aktionen mündet.

Die spannende Frage ist nun, welche Auswirkungen die äußerst beunruhigenden Vorgänge in den USA für Europa haben. Grundsätzlich kann man sich zwei Entwicklungen vorstellen: Zum einen könnte das Agieren Trumps die Rechtspopulisten in den europäischen Staaten so beflügeln, dass sie bei den Wahlen in Frankreich oder Niederlanden Mehrheiten gewinnen. In allen Ländern leben genügend autoritär veranlagte Menschen, die sich nach Verbesserung ihrer Lebenssituation sehnen. Sie sind allzu schnell bereit, für ein Linsengericht* die demokratischen Grundrechte zu verkaufen. Zum andern (und hoffentlich!) kann die gegenteilige Entwicklung eintreten: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erkennen in der Trump-Politik den großen Betrug, der allen rechtspopulistischen Bewegungen eigen ist: nämlich für eigennützige Interessen und nationalistisches Gedankengut einen „Volkswillen“ zu mobilisieren und zu reklamieren – mit dem nicht zu haltenden Versprechen: Wir sorgen für euch, indem wir das Land von allen störenden Elementen bereinigen. Die zweite Entwicklung zu befördern, ist die große Aufgabe, vor der alle demokratischen Parteien, aber auch die großen gesellschaftlichen Organisationen wie Kirchen und Gewerkschaften stehen. Dies wird nur gelingen, wenn den Bürgerinnen und Bürger glaubwürdig ein Angebot gemacht wird: Unter der Bedingung, dass wir niemanden aus dem gesellschaftlichen Leben ausgrenzen, die demokratischen Institutionen achten, Gewaltenteilung und Meinungs- und Religionsfreiheit wahren, werden wir für soziale Gerechtigkeit sorgen und die den sozialen Zusammenhalt zerstörende Ungleichheiten in der Gesellschaft bekämpfen. Diese Bedingung muss autoritär, also als nicht verhandelbar, kommuniziert werden – so wie die Grundrechtsartikel unserer Verfassung auch nicht veränderbar sind. Nur diese Klarheit wird diejenigen zum Nachdenken bringen, die derzeit noch auf die verwerflichen Heilsangebote der Le Pens, Wilders, Petrys, Höckes, Straches, Kaczyńskis hereinfallen.

Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, hat in seinen bisherigen Einlassungen klar gemacht, dass er offensichtlich diese Strategie verfolgt: Auf der einen Seite hat er bei „Anne Will“ die AfD mit ihrem Rechtspopulismus durchaus autoritär als „Schande für Deutschland“ gebrandmarkt und sich ohne Wenn und Aber für den Ausbau der demokratischen EU als Friedensprojekt ausgesprochen. Andererseits hat er ebenso deutlich signalisiert, dass die Gerechtigkeitslücke, die sich in unserer Gesellschaft eher zu einem Graben erweitert hat, geschlossen werden muss. Dieses kann er aufgrund seines bisherigen Wirkens und seiner Biografie glaubwürdig untersetzen. Er wird damit sowohl den Rechtspopulisten das Wasser abgraben, wie auch eine politische Alternative zum Merkel-Mehltau im Kanzleramt darstellen. Die derzeit rasant steigenden Umfragewerte für Martin Schulz und die SPD deuten etwas Ähnliches an, wie die Anti-Trump-Protestbewegung in den USA: Bürgerinnen und Bürger wollen Veränderung der politischen Konstellationen, aber unter den Bedingungen der Demokratie. Diese Klärung gilt es jetzt voranzutreiben.

* Der Ausdruck „Linsengericht“ geht zurück auf die biblische Jakob-Erzählung (1. Mose 25,29-34): Jakob, der jüngere Sohn des Isaak, kaufte seinem älteren, damals nach einer Jagd sehr hungrigen Zwillingsbruder Esau das Erstgeburtsrecht gegen ein „Linsengericht“ ab. Im übertragenen Sinn versteht man unter „Linsengericht“ eine momentan verlockende,  aber letztlich wertlose Befriedigung von Bedürfnissen im Tausch gegen ein viel höherwertiges Gut.

Meine Prognose/Hoffnung für den 24. September 2017: SPD um 35 %, CDU/CSU um 30 %, Bündnis 90/Die Grünen um 10 %, AfD nicht mehr als 10 %, Die Linke um 7 %, FDP um 7 %. Es kommt zu einer Ampelkoalition. Wir haben eine Menge zu tun.

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