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Nachlese zur Lichterkette am 11.01.2016

Ich weiß nicht, wer im Einzelnen verantwortlich ist für die in den Medien genannten Teilnehmer/innenzahlen an den verschiedenen Aktionen im Umfeld der Lichterkette „Leipzig bleibt helle“ am gestrigen 11.01.16.. Darum zunächst ein paar Informationen:

  1. Lichterkette: Laut Leipziger Volkszeitung (LVZ) sollen 700 Menschen teilgenommen haben. Der Ring hat einen Umfang von ca. 3.500 m. Die Lichterkette war geschlossen. An einigen Stellen standen die Menschen zweireihig, an anderen Stellen dafür lockerer. Aber wir haben einen untrüglichen Maßstab: Wir hatten 5.000 Kerzen. Davon sind noch ca. 1.200 übrig. Wenn man bedenkt, dass einige Teilnehmer/innen an der Lichterkette keine Kerze trugen, andere ihre eigene mitgebracht haben, dann können wir von mind. 4.000 Menschen sprechen, die sich an der Lichterkette beteiligt haben. Davon haben dann noch ca. 1.200 Menschen an der übrigens sehr berührenden, ernsthaften, nachdenklichen Kundgebung in der Thomaskirche teilgenommen. Beim Friedensgebet in der Nikolaikirche waren ebenfalls über 1.000 Menschen anwesend.
  2. An der Demonstration der Initiative „Legida läuft nicht“ vom Augustus- zum Richard-Wagner-Platz haben ca. 2.500 Menschen teilgenommen.
  3. Wie man auf bis zu 3.500 Teilnehmern an dem Legida-Aufmarsch kommt, ist mir ebenso schleierhaft. Nach eigenem Augenschein waren dies max. 2.000 Menschen, eher weniger.

Wir können also durchaus davon ausgehen, dass weit über 5.000 Menschen an den Veranstaltungen derer teilgenommen haben, die sich für ein friedliches Zusammenleben in der Stadtgesellschaft engagieren und gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit stellen. Das allerdings geht leider unter bei der Fixierung vieler Medien auf den einjährigen Geburtstag von Legida – ein ziemlich alberner Anlass. Aber offensichtlich scheinen tatsächlich manche Journalisten zumindest untertönig den Legida-Triumph zu teilen: Jetzt, nach den Übergriffen in Köln, muss Schluss sein mit „Willkommenskultur“ und „Gutmenschentum“. Genau so aber macht man Legida gesellschaftsfähig. Wer sich die Reden auf der gestrigen Legida-Kundgebung anhört, muss feststellen: Dort wurde – wie seit einem Jahr bei Pegida/Legida üblich – purer Hass gepaart mit Rassismus („die blonde, weiße Frau“, die vor den islamistischen Horden geschützt werden muss; oder: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln.“ Originalton Tatjana Festerling) verbreitet – gegen Flüchtlinge, gegen Moslems, gegen Politiker, gegen Medien. Das alles hat nichts mit den Grundwerten des gesellschaftlichen Zusammenlebens und unserer Verfassung zu tun, die zu vermitteln einer unserer Hauptanliegen und Hauptaufgaben sein sollte.

Über diese Grundwerte muss sich eine Stadtgesellschaft immer neu verständigen. Im Aufruf zur Lichterkette haben wir sie klar benannt. Unter diesen Zielen haben sich viele Menschen bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit vereint. Darum war es so wichtig, dass die Lichterkette „Leipzig bleibt helle“ am gestrigen Tag die Leipziger Bevölkerung repräsentiert hat: Familien, Arbeitnehmer, Unternehmen, Schüler/innen, Studierende, alle Hochschulen Leipzigs, alle demokratischen Parteien (einschließlich CDU! – mitgemacht haben Justizminister Sebastian Gemkow, Bürgermeister Torsten Bonew, Prof. Dr. Sabine von Schorlemer), Flüchtlinge, Mandatsträger im Stadtrat, Landtag, Bundestag, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Vereine, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften. Auch hier wieder merkwürdig: In der medialen Berichterstattung spielt das nur eine untergeordnete Rolle. Dafür wird alles, was sich derzeit ereignet, unter der gedanklichen Überschrift „Kölner Ereignisse“ subsumiert und gierig in den Mittelpunkt gestellt: Wo ist die meiste Gewalt angewendet worden? Doch wo Gewaltlosigkeit praktiziert wird, ist sie uninteressant (weil ja nichts Schlimmes passiert) oder eben verwerflich bzw. blauäugig (wenn es z.B. um Kriegseinsätze geht); wo aber Gewalt angewendet wird, werden diejenigen, die genau das zu verhindern suchen, indirekt auch noch für diese verantwortlich gemacht und vom hohen Empörungsross aufgefordert: Nun distanzier dich mal davon. Das alles ist ziemlich absurd, aber gleichzeitig eine der Ursachen dafür, dass so ein demokratischer Diskurs garantiert nicht zustande kommt.

Doch auch die mediale Schieflage kann nichts daran ändern, dass wir weiter streiten müssen für die Würde eines jeden einzelnen Menschen, auch des Menschen, der diese Würde mit Füßen tritt. Das muss die Überschrift bleiben – sonst Gnade uns Gott. Denn nur so können wir die Menschenwürde und alles, was aus ihr folgt, glaubwürdig als Grundwert vertreten. Auch die Gewaltorgie rechtsradikaler Hooligans in Connewitz am gestrigen Tag wie auch die Übergriffe von Köln und Hamburg  können uns nur darin bestärken, auf allen Ebenen unserer Gesellschaft für die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens einzutreten und denen keinen Millimeter nachzugeben, die sich nur über eine militante Abwertung anderer definieren (und genau das ist bei Pegida/Legida der Fall). Uns sollte langsam dämmern, dass wir nur so Gewissheit und Orientierung erlangen, die uns die Verwerflichkeiten und Unzulänglichkeiten des Lebens ertragen und ihnen widerstehen lassen. Dass sich derzeit so viele Menschen so schnell durch abwegige Lebenswirklichkeiten verunsichern, auch verängstigen lassen, hat sicher damit zu tun, dass es vielen an Gewissheit, Orientierung und einem menschenfreundlichen Wertegefüge mangelt. In dieses Vakuum können Rattenfänger jeder Art hineinstoßen und es mit ihrem explosiven Unsinn füllen. Darum bleibt es unsere vornehmste Aufgabe, uns über die Grundwerte zu verständigen, den demokratischen Diskurs zu pflegen und vielen Menschen durch mehr Beteiligung an Integration, Bildung und sozialer Anerkennung Ängste zu nehmen.

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