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In der einen Welt Gottes – Versuch einer Orientierung

  • Am Montag in der Leipziger Volkszeitung: Fotos der acht jungen Menschen, die am vergangenen Freitag durch David S. ermordet wurden. Acht Jugendliche, deren Namen darauf hinweisen, dass sie Migranten sind: Kosovo-Albaner, Bulgaren, Türken, Griechen. Der Täter, ein Deutsch-Iraner: nach allem, was bekannt wurde, ein Nationalist, ein Türkei- und Islamhasser. Der Norweger Anders Breivik war offensichtlich sein Vorbild. Es ist wohl kein Zufall, dass er seinen Terroranschlag auf den fünften Jahrestag des Massakers von Oslo und Utøya legte.
  • Die Opfer des Axt-Attentäters, eines aus Afghanistan geflüchteten 17-jährigen jungen Mannes, waren chinesische Touristen, die in dem Regionalzug reisten, den sich der Täter als Ort seines Verbrechens ausgesucht hatte.
  • In Reutlingen tötet ein 21-jähriger Asylbewerber aus Syrien seine Geliebte, eine Polin.
  • Und schließlich sprengt sich in Ansbach ein Syrer in die Luft, der abgeschoben werden sollte – das erste Selbstmordattentat mit Bezug auf den sog. IS auf deutschem Boden.

Dies alles geschieht innerhalb weniger Tage und versetzt viele Menschen in Unruhe und Angst. Im Zusammenhang mit weiteren Terroranschlägen in Europa und beunruhigenden Nachrichten aus der Türkei ergibt sich das Bild einer Welt, die ins Rutschen geraten ist – so wie auf der Titelseite der Wochenzeitung DIE ZEIT die nördliche Hemisphäre in den Abgrund zu stürzen scheint. Für die von den Terroranschlägen unmittelbar Betroffenen nimmt sich das alles unvorstellbar dramatischer aus – für uns, die wir die Ereignisse in sicherer Distanz vor dem Fernseher oder im Netz verfolgen, kaum nachvollziehbar. Für sie gilt, dass mit jedem einzelnen Menschenleben, das ausgelöscht worden ist, die ganze Welt untergeht. Aber das ist eine Erfahrung, der Eltern in Kabul, deren Kinder bei einem Terroranschlag der Taliban ums Leben gekommen sind, genauso ausgesetzt sind wie die Angehörigen der Opfer von München. Sie ist weder abhängig von den jeweiligen religiösen oder politischen Überzeugungen, noch kann sie mit denselben übertüncht werden.

Doch ist es tatsächlich so, dass sich die Lage in unserem Land, in dieser Welt dramatisch zugespitzt hat – nicht zuletzt durch die Geflüchteten? Der Berliner Innensenator Frank Henkel wird in der Zeitung DIE WELT mit den Worten zitiert: „Wir haben offenbar einige völlig verrohte Personen importiert, die zu barbarischen Verbrechen fähig sind, die in unserem Land bislang kein Alltag waren.“ Dieses und ähnliche Zitate sind in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Geflüchtete werden als „Import“ bezeichnet – so als ob man bewusst „verrohte Personen“ ins Land geholt hätte. Da wird das verlogene Vorurteil weiter gepflegt, Angela Merkel habe die Geflüchteten „eingeladen“. Gleichzeitig werden die Verbrechen, die in den vergangenen Tagen geschehen sind, zum „Alltag“ erklärt – was automatisch suggerieren soll: Solche Taten sind eben unter Geflüchteten keine Ausnahme. Dabei ist es Gott sei Dank so: Diese vier (wie auch mögliche weitere) Taten sind weder in Deutschland noch unter Geflüchteten alltäglich. Auf der anderen Seite: Amokläufe, Beziehungstaten, Verbrechen aus Rache wurden und werden leider immer wieder verübt – auch durch deutsche Staatsbürger, und Opfer werden auch Geflüchtete.

Was aber ist nun das Neue, so Beunruhigende? Die Konflikte, die sich seit Jahrzehnten im arabischen Raum ungezügelt haben entwickeln können und die durch die militärische Interventionspolitik in den vergangenen drei Jahrzehnten massiv verschärft wurden, schwappen auf Europa über und machen auch vor Deutschland nicht Halt. Doch das, was wir in den vergangenen Tagen erlebt haben, ist ein winziger Bruchteil von dem Schrecken, dem Millionen Menschen seit Jahrzehnten fast täglich im Nahen Osten, in Afghanistan, in Pakistan, in Nordafrika ausgesetzt sind. Innere Verrohung, religiöse Verblendung, Hass auf den Westen – das alles sind Folgen einer fatalen Entwicklung: Der Krieg gegen den Terror, der 2001 nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center ausgerufen wurde, hat sich – so bitter das klingt – als ein Krieg für den Terror erwiesen. Von daher gesehen besteht die einzige Möglichkeit, sich den globalen Angriffen auf die Menschlichkeit zu widersetzen, in drei Schritten:

  • Wir dürfen keinen Millimeter vor denen zurückweichen, die durch Terror versuchen, unser freiheitliches, vielfältiges Zusammenleben zu zerstören, oder diesen Terror nutzen, um nationalistische, völkische, demokratiefeindliche Bestrebungen salonfähig zu machen. Gerade weil Terror Freiheit und Demokratie beseitigen will, müssen die Grundwerte unserer Verfassung offensiv gelebt und ausgebaut werden. Das bedeutet: Wir brauchen keine neuen Gesetze. Die vorhandenen Gesetze, vor allem die Verfassungsrechte müssen angewandt werden. Insbesondere gilt es, die Menschenwürde (Artikel 1 GG) unabhängig von Nationalität, Religion, persönlicher Beschaffenheit zu wahren und gegenüber jedermann walten zu lassen.
  • Die Staaten Europas stehen in der Verantwortung, in der arabischen Welt endlich einen Friedensprozess in Gang zu setzen, der langfristig Staatlichkeit implementiert. Nur durch eine friedenspolitische Perspektive (sozialer Ausgleich, Bildung, Arbeit) wird es gelingen, Gruppierungen wie den IS auszutrocknen.
  • Wir haben zu begreifen, dass die Verbrechen der vergangenen Tage kein Wesensmerkmal des Islam sind. Dass sich vermeintliche IS-Kämpfer der Religion bemächtigen, um ihr mörderisches Treiben zu überhöhen, ist nicht neu und leider auch in der Christentumsgeschichte immer wieder geschehen. Umso wichtiger, dass wir vor Ort das multireligiöse und multikulturelle Leben pflegen und ausbauen – auch um muslimische Gemeinden dazu zu ermutigen, sich als Teil der demokratischen Gesellschaft zu positionieren.

Bleibt zum Schluss die klare Ansage: Wir leben in der einen Welt Gottes als Geschöpfe des einen Gottes. Keine Region und kein Mensch können davon ausgenommen werden. Diese Grenzenlosigkeit ist keine Gefahr, sondern das große Angebot, den Frieden unter uns Menschen zu fördern – mitten in einer unruhigen Welt und mitten unter verängstigten Menschen.

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