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In den Niederungen der Reformation – ein Jahr Papst Franziskus

Endlich, nach Jahren der Lähmung und medialen Demütigung scheint die Römisch-Katholische Kirche aus der Defensive zu kommen. Es wird auch Zeit. Denn das machtpolitische Beharrungsvermögen des Vatikans in den Fragen von Zölibat, Priesteramt für Frauen und der Sexualmoral, der herrische Anspruch, die einzige wahre Kirche zu sein, und darum ein unaufrichtiger Umgang mit der Ökumene, der Kindesmissbrauch durch Priester und die jahrzehntelangen Vertuschungsversuche und die autoritären Gehorsamstrukturen in den Bistümern, an deren Ende fast zwangsläufig der Limburger Skandal um Bischof Tebartz-van Elst steht, schlagen auch auf die anderen christlichen Kirchen zurück. Darum kann und darf uns der Zustand der Katholischen Kirche nicht gleichgültig sein. Denn wir sind als Evangelische Kirchen genauso wie die Römisch-Katholische Kirche Teil des Leibes Christi. Und wenn ein Glied leidet, leiden die anderen mit. Das ist die Wirklichkeit der Ökumene. Ökumene muss nicht hergestellt werden. Sie ist da – völlig unabhängig davon, ob wir sie wollen oder nicht. Und allein dieser Gedanke macht jede kirchenbürokratische Einschränkung eines gemeinsamen Abendmahls zur Makulatur.

Nun aber horcht die Welt auf ob des unkonventionellen Auftretens von Papst Franziskus in Rom und seiner klaren Worte – wie zum tödlichen Wüten des Finanzkapitalismus. Und der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Erzbischof und Kardinal mit dem schönen Namen Marx – wie man hört ein Machtmensch, der auf der Klaviatur der Medien spielen kann – verspricht den Katholiken einen anderen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Wobei wir nicht vergessen sollten, dass es Reinhard Marx war, der als Bischof von Trier 2004 den Saarbrücker Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl kurzerhand vom Priesteramt suspendierte, weil dieser 2003 in München eine ökumenische Eucharistiefeier zelebrierte.

Steht nun – 600 Jahre nach dem Konzil zu Konstanz, auf dem 1415 der Reformator Jan Hus auf dem Scheiterhaufen verendete, 500 Jahre nach der Reformation und 50 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil, die grundlegende Erneuerung der römisch-katholischen Weltkirche an, auf die zumindest in Europa Millionen Menschen warten?

Als Johannes Paul II. sein Pontifikat antrat, war 1979 eine seiner ersten Amtshandlungen, dem Tübinger Reformtheologen Hans Küng die kirchliche Lehrerlaubnis zu entziehen. Das war ein programmatisches Signal für die kommenden über 30 Jahre machtbewusster Rekatholisierung der Ökumene und für einen mehr als autoritären Führungsstil. Abseits von seiner großen Popularität führte Johannes Paul II. in seinem Pontifikat die katholische Kirche in eine Sackgasse. Daran konnte und wollte Papst Benedikt XVI. nichts ändern, hatte er doch den unbarmherzigen innerkirchlichen Kurs als Vorsitzender Glaubenskongregation wesentlich mitbestimmt. Doch Papst Franziskus hat in seinem ersten Jahr ganz andere Signale gesetzt: keine Machtdemonstration, keine kirchenrechtliche Exekutionen der Kurie gegen unliebsame Geister und Strömungen innerhalb der Kirche, sondern zuerst die Einladung an alle Gläubigen, für ihn zu beten – ein erster Schritt geistlicher Demokratisierung. Doch das Geistliche muss sich auch materialisieren. Da mutet es zu Beginn des 21. Jahrhunderts schon mehr als merkwürdig an, wenn in Würdigung des ersten Amtsjahres von Papst Franziskus als Fortschritt vermerkt wird, dass die Kardinäle über bestimmte Dinge diskutieren dürfen. Gleichzeitig offenbart dies, wie autoritär und angstbesessen es in den Gremien der katholischen Kirche offensichtlich zugeht.

Unabhängig von einem Papst Franziskus stehen der Römisch-Katholischen Kirche stehen zwei entscheidende Schritte bevor, ohne die es zu keiner Erneuerung kommen kann:

  1. die Anerkennung der biblischen Botschaft als der kritische Maßstab für alles Reden und Tun;
  2. die Aufgabe aller autoritären Hierarchien und grundlegende Reformen, die dem Priestertum aller Gläubigen bzw. dem Gleichheitsgrundsatz der Menschen, der sich aus der Glauben an Gott als dem Schöpfer alles Lebens ergibt, entsprechen.

Es geht also um die Befreiung der Kirche aus der babylonischen Gefangenschaft ihrer eigenen Herrschafts- und das Rückgrat vieler Menschen brechenden Gehorsamsstrukturen. Alle Missstände, die in den vergangenen Jahren in der Römisch-Katholischen Kirche aufgebrochen sind, rühren nicht zuletzt daher, dass es der Kirche an Offenheit, an angstfreier Kommunikation und an all dem mangelt, was zu den Errungenschaften eines freien Glaubens gehört: die Menschenrechte. Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz, Jesuit wie Papst Franziskus und Gegenspieler von Bischof van Elst, sagte im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Wochenzeitung „DIE ZEIT“: „kritikfeindliche Systeme sind halt besonders missbrauchsanfällig.“ Das erklärt, warum gerade die Katholische Kirche (noch immer) so anfällig ist für die Missstände, die sie und damit auch uns in Verruf bringen. Und darum ist es überfällig, dass in allen Kirchen das große Geschenk des Glaubens, die Freiheit, und die Würde eines jeden Menschen als Grundvoraussetzung für unser Handeln angesehen werden. Dass daraus ein geschwisterliches, sprich: demokratisches Miteinander wird, in dem sich Klerus und Kirchenmitglieder auf Augenhöhe begegnen, ist die hoffnungsvolle Folge einer am Evangelium entwickelten Kirchenstruktur. Eine solche verträgt kein starres Oben und Unten, sondern sie hat ernst zu machen mit dem Wort Jesu aus dem Markusevangelium:

Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. (Markus 10,42-44)

Dass durch diese jesuanische Lebensmaxime der sensible Blick auf die Armen und Schwachen geschärft und unsere Solidarität herausgefordert wird, sollte ebenso als Maßstab für kirchliches Handeln gelten wie eine Kirchenstruktur, die Freiheit, Offenheit, Glaubensvielfalt ermöglicht. Sie scheint angekommen zu sein, die Katholische Kirche, in den Niederungen der Reformation.

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