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Die Debatte muss sein. Kritische Anmerkungen zur Münchner Rede von Bundespräsident Gauck

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 31. Januar 2014  zur Eröffnung der sog. Münchner Sicherheitskonferenz eine Grundsatzrede gehalten, in der er sich mit Deutschlands Rolle in der Welt beschäftigt. Mit der Rede will Gauck eine umfassende Debatte in allen Bereichen der Gesellschaft eröffnen und anregen. In den Medien wurde die Rede so kommuniziert, wie sie wohl auch verstanden werden sollte: Der Bundespräsident befürwortet Einsätze der Bundeswehr in Konfliktgebieten. Man kann die Rede aber auch anders lesen: Der Bundespräsident definiert „mehr politische Verantwortung“ nicht rein militärisch, sondern fordert dazu auf, Konfliktprävention zu betreiben und das internationale Engagement Deutschlands neu zu definieren – und zwar zwischen Verweigerung und blinder Befürwortung militärischer Intervention. Nur: Dieser Ansatz wirkt in der Rede merkwürdig blass und unverbindlich. Denn Gauck hält den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr für „notwendig“ als „ein Element der Gesamtstrategie“. Wie diese aber aussieht, darüber schweigt er und landet wieder bei der dialektischen Formel, die der Rechtfertigung militärischer Einsätze der Bundeswehr dienen soll: „Deutschland darf weder aus Prinzip ‚nein’ noch reflexhaft ‚ja’ sagen.“

Leider fehlt in der Rede ein Komplex völlig: die Bedeutung der Rüstungsproduktion und des Waffenhandels als Triebkräfte für kriegerische Handlungen. Zwar beschreibt Gauck die sich rasant verändernde Welt u.a. als eine, „in der ökonomische und politische Macht wandert und ganze Regionen aufrüstet.“ Doch auch dieser Gedanke verliert sich im Nebulösen. Denn die Regionen werden nicht aufgerüstet durch anonyme Mächte, sondern durch die Rüstungsindustrie, Regierungsentscheidungen und durch kriminelle Banden, die illegalen Waffenhandel betreiben. Diese „Mächte“ können alle mit Namen und Anschrift versehen werden. Ihre Entscheidungen und Handlungen sind keine Naturereignisse – sie sind beeinflussbar. Doch dazu findet sich in der Rede kein Wort. Kein Wort auch dazu, dass die Voraussetzung aller militärisch ausgetragenen Konflikte die Aufrüstung von Kriegsparteien und Ländern durch Regierungen, nicht zuletzt durch die Bundesregierung, ist, die dann im Konfliktfall von den gleichen Regierungen militärisch bekämpft werden. Überhaupt: Begriffe wie Rüstungsproduktion, Waffenhandel, Rüstungsexporte kommen in der Rede nicht vor, geschweige denn, dass deren Verbot oder wenigstens Begrenzung von Gauck kritisch reflektiert werden. Dabei wäre das die wichtigste Prävention zur Vermeidung von kriegerischen Konflikten: die radikale Begrenzung von Rüstungsproduktion und Waffenexporten. Da wäre ein deutliches Wort des Bundespräsidenten gerade auf einer Konferenz angebracht gewesen, in der sich Lobbyisten der Rüstungsindustrie genauso die Klinke in die Hand geben wie Vertreter/innen von Regierungen, die ihre Soldatinnen und Soldaten in den Kriegsregionen gegenseitig aufmarschieren und Vernichtungswaffen in Stellung bringen lassen. Denn dann müsste der Bundespräsident die Debatte mit denen aufnehmen, die die Hauptverantwortung für Krieg und Terror tragen.

 

2 Antworten

  1. Ihr Optimismus in allen Ehren – aber allein der Krieg in Syrien zeigt, welch verheerende und Krieg treibende Wirkung Rüstungsexporte haben. Außerdem glaube ich nicht, dass die erfreulich Militär kritische Haltung vieler Bürgerinnen und Bürger ein Selbstläufer sind. Sie muss jeden Tag neu gepflegt werden, um den Militarisierungstendenzen in der offiziellen politischen und medialen Debatte entgegenzuwirken. Denn allzu schnell können Stimmungen kippen – insbesondere dann, wenn sich wirtschaftliche Probleme einstellen. Ein Blick auf die Europa-Debatte der vergangenen Monate sollte jeden sehr wachsam machen.

  2. Das überraschende ist, dass in den Medien öfters der Eindruck erweckt worden ist, dass deutsche Rüstungsexporte (etwa nach Saudi-Arabien oder Indonesien) dazu dienen, Einfluss zu nehmen (“Verantwortung zu übernhemen”), ohne die Bundeswehr einzusetzen – ja sogar dass das eine Art Ersatz ist, dass also Rüstungsexporte irgendwie eine friedlichere Strategie sind als Militäreinsätze. Man sagt, Merkel vertrete diese Linie (“Merkel-Doktrin”, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89932536.html), während Steinmeier eher für Kriegseinsätze der Bundeswehr sei. Und vielleicht ist das ja gar nicht so abwegig – schließlich kann man ruhmesbegierige Generäle vielleicht auch ruhigstellen, indem man ihnen schönes Spielzeug schenkt. Die Welt ist jedenfalls in den letzten Jahrzehnten tendeziell immer friedlicher geworden. Und gerade an Deutschlands friedliebender Einstellung werden auch Gauck und Steinmeier kaum etwas ändern können. Ein paar hundert Soldaten in Zentralafrika mehr oder weniger verschieben das Koordinatensystem nicht. Einen Krieg wie 1914 kann kein Land mehr führen.

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